Bescheuerte Liebe
Artemis
Hier sitze ich allein am See
und schaue übers Wasser,
denke an dich und hasse die Liebe.
Hier saßen wir gemeinsam am Ufer.
Ich und du, mein Freund,
als du noch mein Freund gewesen.
Du warst ein Geschenk.
Ich liebte dich mit der Zuneigung
eines Kindes zu seinem großen Bruder.
Wir saßen und sprachen
über jedes Geheimnis
und du …
Eines Tages hast du mir verraten,
du willst mehr als Freundschaft.
Was heißt mehr als Freundschaft?
Was könnte mehr wert sein als wir?
Was könnte mir jemals mehr bedeuteten als du?
Du beharrtest auf deiner Liebe.
Ist es Liebe?
Wenn es Liebe wäre, müsste ich hier alleine sitzen?
Und du alleine zuhause?
Hätten wir beide das Wertvollste verloren?
Du hast mich gezwungen,
was ich niemals tun wollte:
dir das Herz zu brechen, mein Freund,
der du nicht mehr mein Freund bist.
Nur wegen deiner bescheuerten Liebe.
besoffen - oder - Bitte einmal Weltuntergang light!
Wolfram Christ
Mein Gott, stürmt heute der Sturm!
Ängstlich bohrt sich jeder Wurm
tief ins Erdreich, denn der Stürmer
bläst vom Turm den alten Türmer
und die Ziegeln von dem Dache,
eine Brücke von dem Bache,
schiebt und zerrt und weht wie wild,
raubt dem Schotten seinen Kilt.
Nein, das ist dann doch zu dreist,
wie er an der Haustür reißt!
Komm, wir packen unsre Sachen.
Lass den Sturm da draußen machen,
nehmen wir die nächste Kutsche
oder eine lange Rutsche,
die uns hin zum Hafen bringt,
und bevor die Stadt versinkt,
sind wir schon auf einem Schiffe,
schaukeln still vergnügt zum Riffe,
wo wir schließlich doch ersaufen.
Ja, es ist zum Haareraufen:
Wohin du auch guckst und spuckst,
sprich es aus und nicht gedruckst,
geht die Welt mal wieder unter.
Darum trink was und bleib munter.
Scher dich unter meine Decke,
dass ich dich dort neu entdecke,
denn besoffen, glaub mir das,
macht das Ganze trotzdem Spaß!
Bewegte Bilder
Meine nackte Hand
auf deiner nackten Brust,
die sich hebt
und die sich senkt:
Gleichmäßig
wie ein Wellenspiel –
ein Meer, in dem ich treibe.
Es ist frühmorgens
und du schläfst noch.
Licht stiehlt sich schüchtern
zum Fenster herein.
Ich sehe dich:
Ich sehe,
wie das Leben in deinen Adern pulsiert.
und ich sehe dein Gesicht,
noch so jung,
noch so unberührt.
Ich denke an die vielen Jahre,
die jetzt kommen.
Wenn du älter bist.
Nicht mehr jung,
nicht mehr unberührt.
Auch dann wird meine nackte Hand
auf deiner nackten Brust liegen.
Auch dann wird das Leben
in deinen Adern pulsieren.
Du drehst dich zu mir.
Das Bild vor mir wandelt sich,
ein neues entsteht.
Dein Gesicht an meinem.
Lippen, die sich finden.
Das Fräulein L und die Männer
Wolfram Christ
Das Fräulein L
ist originell.
Ich traf sie jüngst beim Wandern …
am Arm von einem Andern.
Das Fräulein L
ist sehr reell
und hübsch und klug und weiß es:
Ein Mensch braucht manchmal Heißes!
Ich sah’s ihm an,
dem andern Mann:
Er fühlte sich als Sieger,
als glatter Überflieger.
Nur weil sie lacht?
Dir Hoffnung macht?
Iwo, nicht zu viel wollen!
Ein Stein darf langsam rollen.
Das Fräulein L,
ich merkt es schnell:
es hatte Lust, zu spielen.
Mit ihm, mit mir, mit vielen.
Warum auch nicht?
Ich wär ein Wicht,
würd solches mich verdrießen.
Ein Spiel muss man genießen!
Das Herz der Tyrannin
Artemis
Vielleicht könnte ich dich lieben,
wenn ich keine Tyrannin wäre,
die ihr Herz in Stahl gefangen hält.
Mein Wille ist bewaffnet
und alle Klingen zielen nach dir,
wenn unsre Lippen sich berühren,
wenn du mich fragst,
was ich empfinde,
ob ich dich liebe,
will ich dir sagen, dass wir im Krieg stehn.
Schlacht für Schlacht, darfst du keine Schwäche zeigen.
Keine Gnade.
Leben ist Kampf.
Wer aufgibt, ist tot.
Wenn du mich bittest, meine Rüstung für dich abzulegen,
was glaubst du zu sehen?
Glaubst du, mich unter dem Eisen besser zu erkennen?
Was dort war, ist längst gebrochen.
Ich bin der Panzer, den ich mir schmiede.
Hab mich geknechtet, um zu gehorchen.
Ich werde mich peinigen, bis ich gewinne,
bin die Tyrannin, die sich zugrunde richtet.
Ich bin die Tyrannin!
Hast du verstanden, Soldat?
Mein Herz ist mein Sklave.
Willst du es haben,
komm und kämpfe darum
oder stirb
wie alle anderen
unter dem Beil meiner Beharrungskraft.
Meine Zielstrebigkeit schießt mit Schrot
und trifft mit gewetzter Entschlossenheit
mitten ins Herz.
Entzückend
Larissa Carolin
Deine vollkommenen Seiten
finde ich ganz entzückend.
Noch entzückender allerdings
finde ich die Art,
wie du dich selbst im Spiegel anschaust
- ein wenig selbstverliebt –
oder wie du ständig vergisst,
dir den Milchschaum von der Oberlippe zu wischen,
wenn du Cappuccino trinkst.
Megawattlächeln
Larissa Carolin
Ich will einen Mann
mit Megawattlächeln,
denn flackernder Kerzenschein
genügt mir nicht.
Nächtliche Reise
Maximilian Christ
Hier liege ich und denk an dich.
Die Gedanken treiben fort
zu einer Wiese, wo der Wind
mit deiner Stimme spricht.
Über mir am Himmel funkeln
deine Augen, Stern für Stern.
In jeder Wolke lächelst du.
In jedem Grashalm fühl ich dich.
Hinter mir versinkt die Welt.
Wirklichkeit ertrinkt im Schlaf.
Auf dem Boden les ich deine Spuren.
Und deinen Spuren will ich folgen
bis zum nächsten Tag.